«Tag für Tag, Sekunde für Sekunde, fliesst eine unglaubliche Menge Umweltwärme ungenutzt mitten durch die Stadt – das tut weh», sagt Anton Sres vom Planungsbüro Eicher + Pauli. Er hat im Auftrag des Basler Amts für Umwelt und Energie (AUE) eine Studie zur thermischen Nutzung des Rheins verfasst. Diese kommt zum Schluss, dass sämtliche Gebäude der Stadt mit Wärme aus dem Rhein geheizt werden könnten. Dazu bräuchte es zentrale, effiziente Wärmepumpenanlagen, die mit minimalem Stromeinsatz per Fernwärme ganze Quartiere heizen. «Gute Wärmepumpen können den eingesetzten Strom mit Rheinwasser verfünffachen, das heisst, aus einer Einheit Strom vier Einheiten Wärme machen», rechnet der Physiker vor.
Grossflächiges Fernwärmenetz
Das Problem für die Nutzung der Rheinwärme in Basel sei, dass die Stadt bereits über ein grossflächiges Fernwärmenetz verfüge, das durch Abfallverbrennung betrieben wird. Wegen der bereits getätigten, grossen Investitionen in dieses Wärmenetz sei ein Fernwärmenetz mit Energie aus dem Rhein nur für bisher nicht angeschlossene Quartiere rentabel. «Mit dem heutigen Wissen und der zur Verfügung stehenden Technik würde man die Wärmeversorgung in einer Stadt wie Basel anders konzipieren und die beim Verbrennen von Abfall entstehende Wärme eher dort einsetzen, wo kein so grosses Angebot an erneuerbarer Energiequellen zur Verfügung steht», sagt Sres.
Die Industriellen Werke Basel (IWB) haben die Ergebnisse der Studie mit Interesse zur Kenntnis genommen, wie Sprecher Erik Rummer auf Anfrage sagt. «Für uns ist die thermische Nutzung des Rheins insbesondere im sogenannten Projektgeschäft sehr interessant, wenn wir für Grosskunden Anlagen für die Wärme- und Kälteversorgung realisieren.» Dass das bestehende Fernwärmenetz heute nicht mehr so gebaut würde, dementiert Rummer: «Das Basler Fernwärmenetz ist gerade wegen seiner Anbindung an die KVA besonders ökologisch. Wenn man davon ausgeht, dass in grossen Siedlungen immer eine gewisse Menge Kehricht anfällt, der ja verbrannt werden muss, ist die Nutzung der dabei entstehenden Abwärme in einem Fernwärmenetz immer eine ökologisch und wirtschaftlich besonders attraktive Möglichkeit der Wärmeversorgung.»
Dass die Technik funktioniert, zeigt ein Beispiel aus St. Moritz. Dort werden seit 2007 ein 160-Zimmer-Hotel, ein Schulhaus sowie zwei Mehrfamilienhäuser mit Energie aus dem See beheizt – selbst wenn dieser gefroren ist. Gemäss eines Artikels im «Beobachter» werden damit jährlich fast 500 000 Liter Erdöl gespart.
Positiver Einfluss auf den Rhein
Für Basel geht die Studie davon aus, dass jährlich bis zu 34 000 Tonnen CO2 eingespart werden können, wenn die obengenannten Gebiete komplett erschlossen würden. Das Rheinwasser würde dadurch minimal abgekühlt, was gemäss Studienautor Sres sogar einen positiven Einfluss auf das Gewässer hätte. «Der Rhein hat im Sommer eher die Tendenz, zu überhitzen, deshalb wäre das Vorkühlen in Basel sinnvoll.»
Dass die Wärmepumpen-Technologie für Fernwärme noch sehr selten genutzt wird – die Basler Studie ist die erste im deutschsprachigen Raum, die das Potenzial für eine Stadt abklärte–, hat laut Sres mit dem tiefen Erdölpreis in den 60er-Jahren zu tun. Die ETH baute bereits während des Zweiten Weltkriegs an der Limmat mit einer grossen Wärmepumpe, um das ETH-Zentrum mit Wärme zu versorgen. Doch wegen des Aufkommens von billigem Erdöl und -gas verlor die Technologie an Attraktivität. Flusswasser wurde zwar weiterhin für Transportzwecke, Stromerzeugung und gerade in Basel auch bei der Chemie zur Kühlung verwendet, nicht aber für Heiz-Zwecke. Dies könnte sich nun, auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft, wieder ändern.