Tag für Tag fallen alleine in Basel hunderte Kilogramm Kaffeesatz an. «Dieser wird normalerweise via Bebbisagg entsorgt oder bestenfalls einer Biogasanlage zugefügt», sagt Armin Sirch vom Urban Agriculture Netz Basel. «Das wollen wir ändern, denn Kaffeesatz ist ein wertvoller Rohstoff, auf dem wunderbare Speisepilze gezüchtet werden können.»
Sirch und zehn weitere Pilz-Enthusiasten haben im Gundeldingerfeld bereits Räumlichkeiten bezogen, in denen sie im Februar mit der Aufzucht von Seitlingen beginnen wollen. «Die engen Katakomben unterhalb des ehemaligen ‹EoIpso› sind hervorragend für die Pilzzucht geeignet», schwärmt Sirch, der sich seit 15 Jahren mit dem Thema Pilzzucht beschäftigt. Aktuell seien sie mit verschiedenen Kaffeehäusern im Gespräch, um abschätzen zu können, wie viel Kaffeesatz diese liefern könnten. «Wir hoffen, in naher Zukunft wöchentlich 100 Kilogramm Pilze zu züchten und diese lokalen Restaurants abgeben zu können», sagt Sirch. Auch diesbezüglich hätten bereits erste Gespräche stattgefunden und die Reaktionen von Wirten und Köchen seien durchweg positiv ausgefallen.
Projekte in Berlin und Rotterdam
Die Pilzzucht-Methode auf Kaffeesatz hat sich in anderen Ländern bereits bewährt. So werden in Rotterdam in einem umgenutzten Schwimmbad bereits erfolgreich Pilze gezüchtet, ebenso in Berlin. Dabei habe sich gezeigt, dass weder der Kaffeegeschmack noch das Koffein in die Pilze übergehen.
Für den Zuchterfolg ist die richtige Zusammensetzung des Nährsubstrats entscheidend, ebenso Luftfeuchtigkeit und Temperatur. «Nebst dem Kaffeesatz werden wir Sägemehl verwenden und dieses in einem ersten Schritt mit einer Pilz-Starterkultur ‹animpfen›». Diese Mischung werde danach bewässert und in spezielle Plastiksäcke verpackt. Nach vier bis fünf Wochen Ruhezeit werden die Säcke aufgeschnitten und die Pilze beginnen mit der Produktion von Fruchtkörpern. «Danach kann im Abstand von drei bis vier Wochen geerntet werden, wobei der Pilz bis zu vier Mal wellenartig Fruchtkörper hervorbringt», erklärt Sirch. «Den Pilz muss man sich vorstellen wie einen Apfelbaum, wobei die Fruchtkörper, die in der Umgangssprache als Pilz bezeichnet werden, die Äpfel sind. Wie ein Apfelbaum trägt der Pilz mehrmals Früchte, bevor die Energie des Kaffeesatzes aufgebraucht ist.»
Dieser Kreislauf fasziniert den 39-jährigen Familienvater besonders. «Das schöne daran ist, dass die Geschichte des Kaffees nach dem Aufbrühen zum Espresso nicht zu Ende ist, sondern das nächste Kapitel beginnt.» Es sei sogar vorstellbar, das Substrat nach der Pilzzucht nochmals weiterzuverwenden, um beispielsweise darin Würmer zu züchten, die als Fischfutter verwendet werden könnten.
«In Asien sind sie in Sachen Pilzzucht viel weiter als wir: Dort gibt es ganze Studiengänge, die sich dieser Wissenschaft widmen. Und es gibt spezialisierte, hochgradig automatisierte Pilzzucht-Anlagen.» Der Haken daran sei, dass diese Pilze um den halben Globus transportiert werden müssen, um in Europa auf den Tellern zu landen. «Das widerspricht natürlich unseren ökologischen Grundsätzen und das ist auch ein weiterer grosser Vorteil unseres Projekts in Basel: Die kurzen Wege von der Produktion bis zum Verbraucher.»
Nebst zusätzlichen Freiwilligen suchen Sirch und seine Mitstreiter derzeit auch Geldgeber, beispielsweise Stiftungen. Auch ein Crowdfunding-Projekt sei denkbar, bei dem die Spender mit frischen Pilzen belohnt würden. Dass sich das lohnen könnte, wird klar, wenn Sirch von seinen Schützlingen schwärmt: «Seitlinge, besonders die Austernseitlinge, sind eine sehr schmackhafte Pilzsorte. Sie werden auch als ‹Kalbfleisch-Pilz› bezeichnet und geben paniert oder angebraten einen hervorragenden Fleischersatz her.»